Bennet, Christopher L. - Feind meines Feindes
Titel: Feind meines Feindes
Reihe: X-Men
OT: X-Men: Watchers on the Walls
Autor: Christopher L. Bennet
Ü: Timothy Stahl
Seiten: 347
ISBN: 978-3-8332-1452-3
Verlag: Panini/Dino, 2007
Rezension: Frank Drehmel
Als ein unbekanntes Raumschiff auf der Flucht vor einem anderen Schiff abgeschossen wird und auf der Erde notlanden muss, sind die X-Men schnell zur Stelle, um die Verfolgten unter ihren Schutz zu stellen. Und der ist nötig, denn nicht nur die Diascar, eine Rasse Zentaurenähnlicher Geschöpfe, sondern auch die Imperiale Garde der Shi´ar wollen den Flüchtlingen den Garaus machen.
Der Grund dafür ist so einfach wie tragisch: die bloße Existenz der Chloriten -so der Name der Gejagten- gefährdet nicht nur das Leben auf der Erde, sondern in der gesamten Galaxis, denn die Atmung dieser Spezies basiert auf Chlorgas und ein Mikroorganismus in ihrem Metabolismus ist darauf programmiert, die Lebensbedingungen eines Planeten so zu modifizieren, dass jegliches Sauerstoff atmende Leben untergehen muss. Ist ein Planet erst einmal infiziert, so gibt es keine Rettung mehr.
Obgleich die Chloriten auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat zwischenzeitlich als Mutanten getarnte Agenten hinaus in die Welt geschickt haben, wird der Menschheit eine kleine Schonfrist gewährt, da sich die Mikroben noch nicht an die irdischen Lebensbedingungen anpassen konnten.
Shi´ar wie auch Diascar machen allerdings mit einem grausamen Exempel klar, dass sie, sollte man diese Agenten nicht finden, die Erde auslöschen werden. Daher willigt Professor Xavier notgedrungen ein, sämtliche Mutanten mit Hilfe von reaktivierten und durch die Diascar umprogrammierten Mutanten-Killer-Robortern, den Sentinels, zunächst aufzuspüren, zu registrieren, um so die Verdächtigen herauszufiltern.
Zunächst läuft auch alles einigermaßen glatt, doch zentrale Fragen bleiben vorerst unbeantwortet: wie reagiert die “normale” Bevölkerung auf die vermeintliche neue Mutanten-Gefahr, lassen sich die Sentinels tatsächlich unter Kontrolle halten und ist die Vernichtung der Chloriten, die von den Diascar von Planet zu Planet getrieben werden, ohne jemals Frieden finden zu können, unabwendbar?
Auch wenn sich im großen Franchise-Sammelbecken allzu oft dritt- oder viertklassige Autoren tummeln, sich renomierte Schreiber hier regelmäßig zu bösen belletristischen Fehltritten hinreißen lassen (und man seine eigenen Ansprüche an dieses “Genre” dementsprechend so weit runtergeschraubt hat, dass man ob der Tristesse nicht in Lethargie oder chronische Leseunlust verfällt), so finden sich zwischen all dem Trash hin und wieder solche Bücher wie “Feind meines Feindes”, die einen das FinalFantasy-Grauen -um nur eine indiskutable Buch-Reihe zu nennen- vergessen lassen.
Bennetts Roman besticht in erster Linie durch eine -für einen Franchise-Roman- ungewöhnlich differenzierte Herangehensweise an einige sehr komplexe Themenbereiche: den Wert des Individuums, die Grenzen von Toleranz und des Rechts einer Gesellschaft auf Selbstverteidigung, die Ursache von Terrorismus, Fremdenfeindlichkeit und Totalirismus.
Bemerkenswerterweise lässt der Autor nicht von vorneherein die moralischen Muskeln spielen, liefert kein politisches Manifest ab oder übt sich in stereotyper Schwarz-Weiß-Malerei, sondern stellt vor allem in den Dialogen der Protagonisten Pro- und Contra-Argumentationen gleichwertig nebeneinander, wobei sich -und das macht das Ganze für X-Men-Fans interessant- die unterschiedlichen Hintergründe der Figuren -Kitty, Rogue, Wolverine, Kurt oder auch der Diascar-, ihre Erfahrungen in den von ihnen vertretenen Positionen widerspiegeln. Ganz am Ende des Konfliktes zwischen Menschen, Diascar und Chloriten steht zwar eine friedliche Lösung, in der man die Erfahrung Bennetts als “Star Trek”-Autor zu erkennen meint und die etwas trivial daher kommt, aber um diese Lösung wird nachvollziehbar gerungen.
Dass der Autor nicht primär auf jugendliche Couch Potatoes -als Zielgruppe seiner Story- abstellt, lassen -zurückhaltend- eingestreute Anspielungen, Redewendungen und Zitate ahnen, deren Verständnis ein gewisses literarisches und kulturelles Wissen beim Leser voraussetzt.
Neben dem durchaus anspruchsvollen Ansatz kommt auch die Action nicht zu kurz, die sich im wesentlichen, d.h. abgesehen von einigen kleineren Sentinel-Demontagen, auf die Kämpfe zwischen den X-Men und der Imperialen Garde der Shi´ar beschränkt, wobei die Beschreibung dieser Auseinandersetzungen angesichts der gewaltigen und bizarren Kräfte aller Beteiligten alles in allem erstaunlich plastisch und nachvollziehbar ist.
Fazit: Trotz marginaler Schwächen im Plot ein exzellenter, anregender Franchise-Roman, der sowohl eingefleischten X-Men- als auch unbedarften SF-Fans bedenkenlos empfohlen werden kann.